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La visualisation éphémère d'une idée:
"Eine zeitlich begrenzte Sichtbarmachung einer Idee"
"Antoine de St. Exupéry und Toulouse.
Eine Spurensuche aus heutiger Sicht."
Thema meiner Diplomarbeit 1995
an der Fachhochschule Würzburg/Schweinfurt, Fachbereich Gestaltung
und der Ecole Superieure des Beaux-Arts de Toulouse/Frankreich.
Mitteilungsblatt von Cornebarrieu, April 1995
Nach über zehn Jahren, im November 2006,
erscheint der kleine Prinz wieder in der Öffentlichkeit.
Ein französisches Ministerium veröffentlicht den "kleinen
Prinzen" auf ihrem Magazin gleich auf zwei Seiten .
Ganze Titelseite und eine ganze Seite innen. Das freut.
Hier mein Colloquium meiner Diplomarnbeit:
Bon
soir Mesdames et Mesieurs,
j’aimerais vous emmener dans le monde de la fantaisie.
ich begrüße meinen Prüfer Frieder Grindler und Herrn
Norbert Kurz, der Herrn Wagner vom Süddeutschen Rundfunk vertritt
und begrüße euch alle zu meinem Colloquium.
»Man sieht nur mit dem Herzen gut«, lernte ich vom kleinen
Prinzen im Werk des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry,
der nicht nur Schriftsteller, sondern Flieger und ein französischer
Nationalheld war.
Wahrscheinlich war es wohl meine innerliche Verbundenheit mit der
Stadt Toulouse und seiner Region, die ich vor drei Jahren während
eines Auslands-semesters kennenlernte, die mich heute vor euch mit
diesem Diplom brachte mit dem Arbeitstitel »Antoine de Saint-Exupéry
und Toulouse. Eine Spurensuche aus heutiger Sicht.«
Denn eines meiner Lieblingsbücher war und ist immer noch »Der
kleine Prinz«, das Saint-Exupéry im Exil, im Sommer 1943
in New York geschrieben hat. Als es erschien, »hörte mitten
im 2.Weltkrieg ganz Amerika die unvertilgbare, alles Kriegerische,
jegliche Propaganda hell übertönende Musik der Weltoffenheit
und des allseitigen Vertrautseins... Schaut hinter die Dinge, findet
euer Eigentliches in euch selbst, erkennt und rettet den Menschen!«
Wer war dieser Mann, dessen Bücher Preise errangen, dessen Buch
»Wind, Sand und Sterne« auch in jedem deutschen U-Boot
und auf jedem Fliegerhorst gelesen wurde?
Hermann Göring ließ weitere Nachdrucke zu, obwohl französische
Literatur schon allgemein verboten war.
Hier ein kurzer Überblick über das Leben von St-Ex, wie
ihn seine Freunde nennen durften.
Er wurde am 29. Juni 1900 in Lyon/Frankreich geboren.
Alle folgenden Jahreszahlen geben also auch immer das Alter des Fliegers
und Poeten Saint-Exupérys an.
Sein Vater, Graf Jean-Marie de Saint-Exupéry war Versicherungsinspektor
und starb schon 4 Jahre später. Die Mutter, Marie de Fonscolombe
verbrachte danach mit ihren 5 Kindern die Sommer in den Schlössern
der Großmutter und einer Tante.
Der kleine Antoine war ein blonder Junge und wurde damals deshalb
»Sonnenkönig« genannt. Man glaubt, daß der
»Kleine Prinz« autobiographische Züge aufweist. Schon
sehr früh zeigte sich seine Vorliebe für Flugobjekte und
für das Fliegen, mit 12 Jahren flog er zum erstenmal. Seine Schulzeit
war eher schwierig- Abitur in der Schweiz, danach Versuch, an die
Ecole Navale (Seekadettenschule) zu gelangen. Hier fiel er im Mündlichen
durch. Danach besuchte er die Ecole des Beaux-Arts in Paris. Mit 21
Jahren trat er seinen Militärdienst an und wurde dem 2. Fliegergeschwader
zugeteilt, allerdings nur den Reparaturwerkstätten. Aber er nahm
Flugunterricht auf eigene Kosten. Endlich war er am Ziel seiner Wünsche
- er durfte fliegen!
Es folgten ein Aufenthalt in Nordafrika als Offiziersschüler
in Marokko, die Versetzung zum 33.Fliegergeschwader nach Le Bourget
bei Paris. Auf Drängen der Familie seiner Verlobten Louise de
Vilmorin hörte er mit dem Fliegen auf, arbeitete zuerst als Büroangestellter
in einer Ziegelei und später als Verkäufer von Lastwagen
für die Automobilwerke Saurer, wozu er aber nicht geeignet war.
In achtzehn Monaten verkaufte er nur einen einzigen Lastwagen. Diese
Tätigkeit stand ebenso wie der Bürodienst »seinen
poetisch-romantischen Ikarus-Sehnsüchten diametral gegenüber«.
Noch im gleichen Jahr löste er sich von seiner Verlobten.
1926 veröffentlichte er seine erste Novelle »L’aviateur«
»Der Flieger« und fing in Toulouse bei der Firma Latécoère
an zu arbeiten, wo er für die Kontrolle und Abnahme von Flugzeuginstrumenten
eingesetzt wurde. Die Zeit in Toulouse begann. Es war der Wendepunkt
in seinem Leben. Mit 27 Jahren durfte er als Pilot die Postflüge
auf der Strecke Toulouse-Casablanca und Casablanca-Dakar übernehmen.
1928 wurde er Postenchef des Flugplatzes in Cap Juby/Afrika. Veröffentlichung
des Buches »Südkurier«, das dort entstand.
Darin beschrieb er das Schicksal der Postroutenflieger auf der Latécoère-Linie
Toulouse über Casablanca nach Dakar. Cap Juby war ein Fort, eine
Zwischenstation für die Postflieger.
Mit 29 Jahren wurde er zum Betriebsdirektor der Fluggesellschaft Aéropostale
Argentina in Buenos Aires ernannt.
1930 Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion für Verdienste um die
zivile Luftfahrt in Cap Juby. Er rettete seinen Freund Guillaumet,
der in den Anden in einem Schneesturm abgestürzt war.
1931 heiratete er die Argentinierin Consuelo Souncin, die junge Witwe
eines Journalisten und veröffentlicht »Nachtflug«,
wofür er wenig später den »Prix Fémina«
erhält.
1935 stürzte er bei dem Langstreckenflugsversuch in der Algerischen
Wüste ab und wurde erst nach fünf Tagen von einer Karawane
gerettet. Diese Erlebnisse verarbeitete er für sein Buch »Die
Stadt in der Wüste«, das erst nach seinem Tod erschien.
1938 Absturz in Guatemala bei einem Langstreckenflug New York-Feuerland,
wobei er schwere Verletzungen erlitt. Diese Zeit aber nutzte er, um
die Texte von »Wind, Sand und Sterne« zu überarbeiten.
Ernennung zum Offizier der Ehrenlegion.
1939 Veröffentlichung von »Wind, Sand und Sterne«,
das den Romanpreis der Académie Francaise erhielt und in Amerika
zum Buch des Monats gewählt wurde. In Europa brach im September
1939 der 2. Weltkrieg aus. Er kehrte sofort nach Toulouse zurück,
und wurde der Fernaufklärergruppe 2/33 zugeteilt. Während
Paris schon von den Deutschen besetzt war, unternahm er einen Aufklärungsflug
nach Arras, bei dem er in rasenden Feindbeschuß geriet. Dieses
Erlebnis war Grundlage für sein nächstes Buch, das an die
Menschlichkeit appelierte: »Jeder ist für alle verantwortlich«.
1940 reiste er über Marokko und Portugal nach New York.
1942 Veröffentlichung von »Flug nach Arras«.
1943 Veröffentlichung von »Brief an einen Ausgelieferten«
ein Brief an seinen inhaftierten Freund, den Juden Léon Werth.
Auch den »Kleinen Prinz« widmet er Léon Werth.
Ich dachte, daß es in Toulouse, der Stadt, die ihm so viel bedeutet
haben mußte, eigentlich viele Spuren von ihm zu sehen sein würden.
Es gibt noch das »Hôtel du Grand Balcon« in dem
er und alle seine Fliegerkameraden wohnten. Die Flieger logierten
in den unteren Etagen, die Mechaniker in den Mansarden. Das Hotel
ist auch noch fast in dem Zustand dieser Zeit. Das Foyer läßt
einem ein wenig von dem Ambiente verspüren, das wohl in den dreißiger
Jahren geherrscht hat. Die Zimmer sind kaum verändert. Um einmal
diese Atmosphäre selbst zu erleben, quartierte ich mich für
ein paar Tage in eines der Zimmer ein, worüber Saint-Ex schrieb:
»Dieses Zimmer war wirklich eine kleine Rettungsinsel in der
weiten Welt, wie eine Matrosenherberge... Aber oft hieß es in
der Nacht, sich losmachen... das Zimmer vom eigenen Ich entblößen,
samt den Photos und Büchern, und es endlich verlassen... so leergeräumt,
daß auch kein Gespenst mehr darin bleiben möchte.«
Ein Hotel, das damals und noch heute eine magische Adresse in Fliegerkreisen
ist. Doch es herrscht nun einmal die Hektik unseres Jahrzehnts in
und um das Hotel, die mir einige schlaflose Nächte bereitete.
Der Flughafen jener Zeit mußte einem neuen weichen, auf dem
Flugzeuge wie die neuen Airbusse 320 oder 319 gewartet werden, das
modernste Wartungszentrum Europas.
An St.-Exupéry erinnern auch die »Avenue Antoine de Saint-Exupéry«
und die »rue du petit prince«, beide in der Nähe
des ehemaligen Flughafens.
Sein Name steht über Bars, Geschäften und öffentlichen
Einrichtungen. Auch der Name »petit prince« wird in Toulouse
zu Werbezwecken verwendet. Toulouse wird von circa 100000 Studenten
bevölkert und wird »La ville rose« oder auch »Metropole
d’equilibre« genannt.
Der Kleine Prinz, das Buch, das er 1943 in New York geschrieben hat,
war wie ein Märchen für Kinder angelegt, wandte sich aber
auch an die Erwachsenen, wollte sie aufrütteln und an ihre Verantwortung
erinnern. Der Inhalt ist phantastisch unwirklich, die Botschaften
real und immer gültig. Der kleine Prinz pflegt liebevoll seine
Rose, die nicht nur schön, sondern auch anspruchsvoll und eitel
ist. Er rupft ständig die Wurzeln der riesigen Affenbrotbäume
heraus, daß sie nicht zu groß werden und den Planeten
sprengen. Der »Kleine Prinz« geht dann auf eine Reise,
von einem Asteroiden zum anderen, auf denen er Menschen trifft wie
einen Laternenanzünder, einen Säufer, einen Geschäftsmann,
einen Weichensteller, einen Wasserträger, einen Geographen, einen
König, den Fuchs, die Schlange und schließlich auf der
Erde, wohin ihn der Geograph geschickt hatte, auch Antoine de Saint-Exupéry,
der als Flieger in der Wüste notgelandet war. Der Fuchs gibt
ihm einige Antworten auf den Sinn des Lebens und zum Tod. »Adieu«,
sagte der Fuchs.»Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach:
»Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für
das Auge unsichtbar«. Der Fuchs hatte dem Kleinen Prinzen gelehrt,
daß Freundschaft und Liebe darin bestehen, für den anderen
Verantwortung zu tragen. »Du bist zeitlebens verantwortlich
für das, was du dir vertraut gemacht hast.« Die kleine
gelbe Schlange im Sand in der Wüste wählte Saint-Exupéry
als Gleichnis für den Tod. Der kleine Prinz geht freiwillig zurück
zu seinem Stern, obwohl er Angst hat. er will wieder zu seiner Rose.
Er läßt seinen Körper zurück, nachdem die Schlange
ihr Gift in seinen Fuß gespritzt hat.
In der Zeitschrift Time wird damals festgestellt, daß dieses
»Märchen für Erwachsene... den erwachsenen Menschen
herausfordert und den Verlust des Kindes im Menschen beklagt«.
Das Buch wurde bis heute 40 Millionen mal weltweit verkauft und in
90 Sprachen übersetzt.
Als Dichter hat Antoine de Saint-Exupéry als erster den Himmel
und die Sicht von oben auf die Erde in die Literatur eingeführt.
Seine Erlebnisse während des Fliegens, seine Abenteuer mit Aufständischen,
seine waghalsigen Rettungsflüge abgestürzter Kameraden und
auch seine philosophischen Gedankengänge machten ihn unsterblich.
Seine Nase brachte ihm den Spitznamen »pique la lune«
»Mondgucker« ein. Seine Fliegerkameraden verehrten ihn
Sein Tod ist mysteriös geblieben. Er starb am 31. Juli 1944 als
Flieger bei einer Aüfklärungsstaffel, die von Korsika aus
das französische Festland erkundete.
Von seinem letzten Flug, den man ihm gestattet hatte, kehrte er nicht
zurück. Es sollte sein letzter werden, denn St.-Ex war eigentlich
zum Fliegen schon viel zu alt. Seine Freunde wollten auch verhindern,
daß er umkommt. Vermutungen, daß ein deutscher Jagdflieger
ihn abgeschossen hat, lagen nahe, konnten aber nicht bestätigt
werden. Er half aktiv mit bei der Befreiung Europas wie die amerikanischen
Soldaten, die für die Freiheit aller Menschen kämpften.
Nie hat man sein Flugzeug, noch seinen Körper gefunden. Wie der
»Kleine Prinz« im Buch blieb Antoine de Saint-Exupéry
verschwunden.
Dies ließ im Laufe der Jahre eine Art Mythos entstehen, der
der Bekanntheit St-Exupérys sehr zuträglich war. Es wiederholten
sich die Worte des »Kleinen Prinzen«: »Es wird aussehen,
als wäre ich tot, und das wird nicht wahr sein«. In »Wind,
Sand und Sterne« hatte Saint-Exupéry den Unterschied
zwischen Todesbereitschaft aus Verantwortung und erbärmlichem
Selbstmord aus Liebeskummer betont: »Gegenüber diesem kläglichen
Schicksal erinnerte ich mich eines wirklichen Männertodes, des
Sterbens eines Gärtners, der mir sagte: Wissen Sie, manchmal
habe ich beim Graben tüchtig geschwitzt, und das Reißen
im Bein war kaum auszuhalten, und ich habe über die Knechtschaft
geflucht. Und heute, da möchte ich graben, das Land umgraben;
nichts kommt mir schöner vor als Graben. Dabei ist man doch frei.
Und wer wird nun meine Bäume verschneiden? Auch St.-Ex war allemFruchtland
und allen Fruchtbäumen der ganzen Welt in Liebe verbunden. Er
war der Freigiebige, er war der Verschwender, der große Herr.«
In einem Brief schrieb er: »Ich war dazu geschaffen, Gärtner
zu sein«. Die Werke St-Exs waren für die Menschen wertvoll,
nicht nur während des zweiten Weltkrieges, sondern auch für
die Jugend, die das heutige Europa aufbaute.
Er bejahte die Technik, sofern sie nicht nur die menschlichen Kräfte
erweitert, sondern ethisch gemeistert, eine die Menschlichkeit umfassende
Liebe ermöglicht.
Seine Literatur gehört zum neuen Realismus. Die Maschine wird
zum Symbol des Geistes erhoben und soll echten Humanismus ermöglichen.
Kurz nach dem Krieg fragte eine französische Studentin den deutschen
VerlegerKarl Rauch, warum denn Saint-Exupéry’s Bücher
so unerhört großen Erfolg bei den jungen Deutschen haben.
Er antwortete: »Weil sich hier das bessere Frankreich mit dem
besseren Deutschland begegnet. C’est tout.«
Für mich reduzierte sich Antoine de Saint-Exupéry auf
das Bild des »Kleinen Prinzen«.
Ein Franzose, der nicht weit des damaligen Flughafens wohnt, erzählte
mir eines Tages etwas Entscheidendes, das mich auf meine Idee brachte.
Zu Zeiten von Antoine de Saint-Exupéry war es noch etwas Aufregendes,
ein Flugzeug zu sehen.
Auch die Piloten von damals bewunderte man als Helden. Heute beachtet
man zwar auch noch die Flugkapitäne, aber man weiß auch,
daß ihnen eine ausgefeilte Technik zur Seite steht, die den
ersten Piloten fehlte. Mein Gedanke war nun, gerade für die heutigen
Piloten und ihre Passagiere eine Spur von St-Ex so in die Erde einzugraben,
daß man sie aus der Luft beim Landeanflug auf Toulouse von hoch
oben sehen könnte. Ich wollte die Piloten und die Menschen wieder
an St-Ex, an die Anfänge der Fliegerei und besonders an die Botschaften
des Kleinen Prinzen an die Menschheit erinnern.
Ich vergrößerte den »Kleinen Prinzen« gewaltig,
auf hundert Meter Länge und vierzig Meter Breite und platzierte
ihn genau in der Einflugschneise des heutigen Flughafens von Toulouse.
Um meine Spur von Antoine de Saint-Exupéry zu sehen, mußte
man sich folglich von der Erde lösen und das Bild auf der Erde
von einem Flugzeug aus betrachten, so wie der Schriftsteller die Erde
betrachtet hat.
So suchte ich nun in der Einflugschneise nach einer Wiese. Wiesen
haben den Vorteil, daß das Heu, das man davon erntet, heutzutage
keinen besonderen finanziellen Gewinn für den Landwirt bedeutet.
Daher wäre die Pacht für meine Zwecke wahrscheinlich sehr
günstig. Günstiger als vielleicht ein Weizen- oder ein Maisfeld.
An einem sonnigen Tag fuhr ich mit meinem Auto in das Gebiet nördlich
des Flughafens Toulouse/Blagnac, orientierte mich an den einfliegenden
Flugzeugen und durchforstete es. Mit einem Auge auf der Straße,
mit dem anderen auf den Flugzeugen. Schließlich, auf der »Route
de Seihl«, eine Straße, die in etwa 500 Meter Entfernung
der zwei Pisten liegt, kam ich an einer Wiese vorbei, der eine Eichenallee
folgte und dieser sich wiederum eine Wiese anschloß. Beide Wiesen
hatten, laut Kilometeranzeiger, eine geschätzte Länge von
circa 200 Metern. Diese gehörten zu dem Gebiet der »Commune
de Cornebarrieu«, einer Gemeinde von etwa 3000 Einwohnern.
Ich sagte mir, das ist es, wendete mein Auto und fuhr zurück,
um in die Eichenallee einzufahren. Mir war etwas mulmig zumute. Denn
mein Gefühl sagte mir: Eine dieser zwei Wiesen oder keine. Es
stand also viel auf dem Spiel. Am Ende der Allee angelangt, stieß
ich auf das große Portal eines Bauernhofes. Ich stieg aus und
sah seitlich in einem Gemüsegarten zwei Männer, die ich
ansprach und fragte, wer denn der Besitzer der beiden Wiesen sei.
Der Ältere, so um die siebzig, erklärte mir, daß er
der »Patron« der »Domaine de Fiteau« sei,
der die Wiesen angehören. Nach einer etwa fünfminütigen
Vorstellung meiner Person und meines Vorhabens, fing der Bauer an,
mich genauer auszufragen. Er prüfte mich auf Herz und Nieren.
Dadurch erfuhr er unter vielem anderen auch, daß ich aus dem
Weinland Franken komme. Und da er eigentlich kein Geld wollte als
Pacht, forderte er mich auf, eine große Flasche Frankenwein
mitzubringen, wenn ich das nächstemal aus Deutschland nach Toulouse
zurückkehre. Da das Gespräch im November war und ich über
Weihnachten nach Hause fahren wollte, war dies kein Problem. Am Ende
sagte er mir noch, er hätte nur deswegen ja gesagt, weil heute
ein so schöner Tag gewesen sei und er gut gelaunt war. Einen
französischen Bauern, wie er im Lehrbuch steht, konnte ich mir
vertraut machen und für meine Idee gewinnen, so wie der Kleine
Prinz sich den Fuchs vertraut machen konnte. Vielleicht nur durch
ein Lächeln?
Ich dachte an St-Ex:
»Ein Lächeln ist oft das Wesentliche.
Man wird mit einem Lächeln belohnt.
Man wird durch ein Lächeln belebt.«
Was nun aber kam. war wohl der schwierigste und der aufwendigere Teil
der Arbeit.
Ich beabsichtigte, das Bild des Kleinen Prinzen aus der Höhe
mit Blumen zu zeigen. Ganz im Sinne von Antoine de Saint-Exupéry,
der sagte: „Wir Menschen sind wie Blumen. Sie sind nur etwas
vergänglicher.“
Warum mit Blumen:? Sie verwelken irgendwann und werden wieder eins
mit der Erde.
Also brauchte ich nun Blumen. Leuchtende Farben sollten sie haben,
wie gelb und orange wegen der besseren Sichtbarkeit aus der Luft.
Rosen oder Tulpen waren zu teuer. Um eine flächendeckende Bepflanzung
zu erhalten, hätte ich zigtausende Rosensetzlinge oder Tulpenzwiebeln
benötigt. Das geackerte Bild hatte immerhin eine Länge von
hundert Metern und eine Fläche von circa 600 Quadratmetern. Fachliteratur
und andere hilfreiche Mitmenschen rieten mir zu den Ringelblumen.
Robust, bescheiden, was die Böden angeht, schnellwüchsig
und einjährig, aber dennoch teuer. Durch den Samenproduzenten
Benary kam ich Gottseidank kostengünstig an die gewünschte
Menge von 7,5 Kilo Samen heran.
Wenn man Ringelblumen Anfang März aussät, blühen sie
angeblich Ende Mai,im Mittelmeerraum etwas früher. Anfang März
stand meine Wiese wegen ergiebiger Regenfälle unter Wasser und
so konnte ich außer dem Übertragen der Zeichnung auf die
Wiese nichts machen. Für diese Arbeit bekam ich überraschend
Hilfe aus Deutschland. Drei freiwillige Helfer. Zu viert benötigten
wir etwa 9 Stunden. Erst schlugen wir alle fünf Meter einen Stecken
in die Erde, die das Grundraster ergaben. Mit kleinen Stöckchen,
an denen Plastikbänder befestigt waren, wegen der besseren Sichtbarkeit,
übertrugen wir so mit etwas künstlerischer Freiheit und
Intuition die Konturen des Kleinen Prinzen. Erst Ende März war
es möglich, diese Konturen weiter zu bearbeiten. Zuerst mußte
ich das Gras bis auf die Erde abmähen, um dann den nun fast trockenen
Boden umfräsen zu können. Da aber die Wiese über fünfzehn
Jahre nicht umgeackert war, entwickelte sich dies zu einem Gewaltakt.
Trotz einer 12 PS Fräse mußte ich viele Partien mit einem
Spaten von Hand nachbearbeiten, was mir noch Tage danach sehr schmerzlich
in Erinnerung war. Schließlich säte ich die Ringelblumen
in die aufgelockerte Erde. Insgesamt habe ich ungefähr zwei Wochen
vom Zeitpunkt des Zeichnens bis zum Aussäen benötigt, wenn
ich die verschiedenen Unterbrechungen nicht dazuzähle.
Nun war das Bild aus der Luft schon sichtbar. Zwar noch nicht mit
den Blumen, sondern man sah die helle Erde gut mit der grünen
Wiese kontrastieren.
Ich charterte nun zweimal ein Sportflugzeug, um Fotos zu machen, für
die Dokumentation.
Ein Journalist der örtlichen Presse sah den Kleinen Prinzen und
machte mich über die Ecole des Beaux-Arts ausfindig. So kam der
1.Artikel in der Toulouser Zeitung »La Dépêche
du Midi« zustande.
Es folgten »Le Figaro«, »La Liberation«, »France
Soir«, »Mon Quotidien«, »Le Point de vue«
und das »Journal d’Informations Communales de Cornebarrieu«.
Auf diese Weise wurde mir plötzlich klar, daß ich auch
die Menschen erinnern konnte an die Botschaften von St-Ex, die nicht
die Möglichkeit besaßen es aus einem Flugzeug heraus zu
sehen.
Binnen zwei Wochen hatte ich mehrere Radiointerviews geben müssen,
in fast allen großen französischen Tageszeitungen waren
meine Luftbilder abgedruckt und etwa sieben nationale und internationale
Fernsehsender bekundeten Interesse für den Moment des Blühens
der Ringelblumen. Interessant dabei war immer eines. Wenn ich erzählte,
daß da in der Einflugschneise der Kleine Prinz eingegraben in
der Erde liegt, waren alle erstaunt. Fügte ich noch hinzu, daß
da aber noch 7,5 Kilo Ringelblumensamen darauf warten, später
Blüten auszubilden, waren Sie fasziniert von meiner Idee.
Über Dritte hörte ich, daß die Versuchspiloten von
Airbus Industries über den »Kleinen Prinzen« auf
der Wiese berichteten.
Auf einem Oldtimerflugtag in Toulouse sah ich zum erstenmal eine Maschine
des Typs Lockhed Lightning P-38, wie sie Saint-Ex flog, als er ums
Leben kam. Es war beeindruckend. Nur eben diese Maschinen wurden bei
der Landung der Alliierten in der Normandie benutzt, denn sie waren
signifikant für die amerikanischen Artellerieschützen, die
auf den Schiffen vor der Küste lagen. Durch seinen Doppelrumpf
war die Maschine von den deutschen Flugzeugen zu unterscheiden, die
nur einen Rumpf besaßen.
Auf diesem Flugtag hat mir ein Pilot von MartinAir/Holland etwas auf
ein Blatt Papier gekritzelt, nachdem ich ihn nach seinen Beruf ausgefragt
hatte. Er notierte: »Pilot zu sein ist sehr einfach. Es ist
nicht schwer und es macht Spaß.«
Piloten, die mich zwecks Luftbildaufnahmen über den »Kleinen
Prinzen« brachten, waren sehr beeindruckt. Der Pilot des ersten
Fluges verzichtete vor Begeisterung auf die Bezahlung des Fluges.
Andere Piloten, denen ich ein Luftbild zeigte, waren sehr erstaunt
und erfreut, daß ich die Arbeit ihnen gewidmet habe.
Nach dem nassen Frühling folgte ein ausgesprochen heißer
Frühsommer, der den Blumen sehr schadete. Ich goß einmal
mit Unterstützung der Gemeinde Cornebarrieu die Pflanzen mit
9000 l Wasser. Einmal goß ich nur mit zwei Gießkannen
in den Händen die 600 Quadratmeter Fläche. Hier ist zu erwähnen,
daß mein Bauer einer vom alten Schlag war und sich wohl auch
sehr gut mit dem Kleinen Prinzen auskannte. Über Studenten hatte
er die übliche Meinung, daß Sie nur herumsitzen. Außerdem
sollte ich einmal die Pflanzen gegossen haben, so wie der Kleine Prinz
seine Rose, eben mit Gießkannen. Er untersagte mir die Installation
einer Sprinkleranlage, erstens, weil ich es mir dadurch zu einfach
machen würde und zweitens, weil er es nicht wollte. Und wenn
er etwas nicht wollte auf seiner Domaine, so mußte es auch befolgt
werden. Nach dem Motto: »Le roi c’est moi«, der
König bin ich.
Zur Beendigung meiner schriftlichen Diplomarbeit mußte ich nach
Deutschland zurück. Ich mußte meine Ringelblumen, die »soucis«,
in deutsch »die Sorgen«, ihrem Schicksal überlassen.
Als ich Mitte Juli nach Toulouse zurückkehrte, stellte ich fest,
daß der »Kleine Prinz« auf der Wiese wieder verschwunden
war wie der Kleine Prinz in der Wüste und wie St-Exupéry
über dem Mittelmeer. Die halbvertrocknete Wiese bildete mit den
halbvertrockneten Blumen eine Einheit.
Ich war entsetzt. Vorbei waren meine Träume von tausenden gelborangen
Blüten in der Wiese, die aus der Luft an St-Ex erinnern sollten...
.
Aber ein kleines „happy end“ gibt es doch.
Nach dem Verdörren der Blumen geschah noch ein kleines Wunder.
Kurz die Geschichte:
Nach der Beendigung der Feldarbeiten im April suchte ich nach Möglichkeiten,
Luftbildaufnahmen aus einem Hubschrauber machen zu können. Durch
Zufall kam ich an die Adresse eines Mitarbeiters von Airbus Industries,
der unter anderem für Luftbildaufnahmen verantwortlich ist. Dieser
fand Gefallen an meiner Arbeit und fragte mich, ob Airbus - Industries
zu meinem Bild auf der Wiese etwas hinzufügen dürfe –
beispielsweise ein Flugzeug vpm Typ Airbus, denn sie hätten 1995
ihr 25 jähriges Firmenjubiläum. Ich lehnte dies zuerst ab,
weil ich glaubte, daß dies meiner Arbeit schaden könnte.
Schließlich gab ich aber doch meine Einwilligung, daß
sie dieses Flugzeug meinem Bild hinzufügen dürften in der
Weise, daß der „Kleine Prinz“ einen Airbus spielerisch
in der Hand halten sollte. Wenig später nach meinem letzten Abflug
von Toulouse fing Airbus Industries an, nur die Konturen des »Kleinen
Prinzen« gießen zu lassen. Sieben Wochen lang goß
ein Gemeindearbeiter in ihrem Auftrag tagtäglich sechs Stunden
lang, auch am Sonntag. So entstand dieses Bild, das heute noch zu
sehen ist und folgendes ausdrücken soll.
1. Der »Kleine Prinz« als Zeichen für Antoine de
Saint-Exupéry und seiner Kollegen, der Flugpioniere und Helden
jener Zeit.
2. Der »Kleine Prinz« als riesiges Plakat, das zu den
Piloten und Passagieren spricht, die darüber hinwegfliegen.
3. Die Silhouette eines Airbus A-340, der in Toulouse entwickelt wurde
und gebaut wird. Dieser gilt als Repräsentant für das Zentrum
der Europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie und in Toulouse
als Zeichen für den Fortschritt in der Luftfahrt, für die
Antoine de Saint-Exupéry einer der Wegbereiter war.
Durch meinen »Kleinen Prinzen« wollte ich eine neue Spur
legen.
Ich habe nicht mit dem Pinsel oder dem Zeichenstift gearbeitet, sondern
mit einer Motorfräse in der Erde von Cornebarrieu. Meine Auseinandersetzung
mit Saint-Exupéry und seinem „Kleinen Prinzen“
hatte auch etwas zu tun mit dem Willen, eine Wiese zu verändern,
persönliche Kraft einzusetzen, um ein Stück Land zuverändern
- zu pflügen, zu säen, zu gießen.
Das Blühen und das Vergehen und Verschwinden der Blumen waren
eingeplant, aber nicht berechenbar. Das Vergehen trat früher
ein, als ich erwartet hatte.
Eingeplant, aber nicht voraussehbar war die Wirkung, das eine derartige
Arbeit auf die Menschen von Cornebarrieu, auf die Piloten und Passagiere
der Flugzeuge und auf die Presse in Frankreich und Deutschland haben
würde. Mein Bauer, der Patron der Domaine de Fitou, den seine
Familie fast für verrückt erklärte, als er mir die
Wiese überlassen hatte, ist heute stolz auf den »kleinen
Prinzen«, der auf seine Wiese zurückgekommen ist. Ich wollte
erinnern an den strahlenden Geist von Antoine Jean-Baptiste Marie
Roger de Saint-Exupéry und seine Mahnung an die Menschheit,
daran zu denken, daß wir alle im gleichen Boot »Erde«
sitzen und jeder Verantwortung tragen muß für die anderen
Menschen.
Warum Presse?
Weil ich die Botschaften des „Kleinen Prinzen“, die auch
heute noch gültig sind, wieder in Erinnerung bringen wollte.
z.B. Wir sind verantwortlich für die Menschen, die wir uns vertraut
gemacht haben.
Jeder ist verantwortlich für alle Menschen.
St.Ex wäre sicherlich nicht einverstanden mit den Atomtests,
denn er liebte die Schöpfung, die Erde, die er so oft aus der
Höhe betrachtet hat.
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für
die Augen unsichtbar.“
Darüber darf man aber die deutsch - französische Annäherung
und Verständigung nicht vergessen.
Mozart war sein Lieblingskomponist. ©matthiasdemel, D-97273Kürnach
Airbus Industries Marsen Knut A380 A340 Concorde A380
…
Als Bezug zu Saint-Exupéry ist die Wahl des Kleinen Prinzen nicht
neutral und nicht allein auf oberflächliche Weise zu sehen.
- „ Zur Zeit Saint-Exupérys waren Piloten noch „Helden“,
sagt Matthias. Man verliert heute die Einschätzung der Schwierigkeit
ihres Berufes. Etwas für sie zu tun, ist eine verdiente Ehrenbezeugung.“
- Ein Plakat aus Blumen ist keine zufällige Wahl. Die Blumen erblühen
eines Tages, dann verschwinden sie … wie der kleine Prinz …
ein wenig Poesie im Kerosindampf.
- Schließlich, und das war das vorgeschriebene Thema, sehen die
Menschen des Ballungszentrums Toulouse, gebunden an ihre Traditionen
und Wurzeln, die unanfechtbare Beziehung zur Luftfahrt in die Erde eingegraben.
Artikel aus dem Journal d’Informations Communales (Mitteilungsblatt)
von Cornebarrieu, April 1995